jeudi 25 janvier 2007

Interview mit Herrn Dan Biancalana

1) Können Sie uns eine Beschreibung ihrer alltäglichen Arbeit geben?
Ich bin seit den letzen Gemeindewahlen 2005 Dritter Schöffe (In Luxemburg finden alle 5 Jahre Gemeindewahlen statt. Der Politiker der sich für die Wahlen aufgestellt und am meisten Stimmen bekommen hat, wird Bürgermeister. Nach ihm kommen der Erste, der Zweite und der Dritte Schöffe) der Gemeinde Düdelingen.
Zum einen bin ich nicht jeden Tag hier. Ich komme in den Genuss vom sogenannten „congé politique“ (zu dt. „politischer Urlaub“), der 14 Stunden in der Woche beträgt und mir erlaubt meiner politischen Arbeit nachzugehen. Zum anderen trage ich innerhalb der Gemeinde Düdelingen eine große Verantwortung was die Bereiche Ausländer, Jugend, Tourismus und Familienpolitik angeht. Auch bin ich für das Schulwesen verantwortlich.
Der andere Teil meiner Arbeit besteht darin, zusammen mit anderen Kollegen im Schöffenrat (wo der Bürgermeister und die drei Schöffen zusammenkommen) Entscheidungen zu treffen, was das Gemeindehaus intern betrifft z.B. wenn etwas umgebaut werden muss oder etwas eingerichtet werden soll, aber auch die Stadt Düdelingen betrifft (Strassenregelung, Feste organisieren, politische Entscheidungen treffen und Bauprojekte).
Doch der Schöffenrat kann nicht alle Entscheidungen treffen. In diesem Fall kommt der Gemeinderat zusammen, dem 17 Leute aus verschiedenen Parteien beiwohnen, und versucht, zusammen mit dem Schöffenrat, die Probleme Düdelingens zu lösen.

2) Wie gestaltet sich das Zusammenleben zwischen den Ausländern und den Luxemburgern in Ihrer Gemeinde?
In Düdelingen setzen sich die Einwohner aus 82 Nationalitäten zusammen. 36% sind Ausländer, darunter Portugiesen, die die Mehrheit darstellen, Italiener, Franzosen und Deutsche. Italiener gibt es immer weniger, was daran liegt dass weniger ins Land kommen und dass viele die Luxemburger Nationalität angenommen haben.
Das Zusammenleben gestaltet sich im Allgemeinen ganz gut und es gibt kaum kulturelle Konflikte. In Düdelingen ist die Immigration schon mehr als 100 Jahre alt, dadurch hat sich eben das Zusammenleben so herausgetan. Wir haben ausserdem eine Ausländerkommission; in jeder Gemeinde in der mehr als 20% der Einwohner Ausländer sind ist das obligatorisch. Die Kommission beschäftigt sich unter anderem mit dem Zusammenleben zwischen den einzelnen ausländischen Gemeinschaften, und war auch eine der Initiatoren für die Sprachkursen in unserer Gemeinde gewesen, damit Ausländer die Möglichkeit bekommen, die luxemburgische Sprache lernen zu können.
Es werden auch Feste organisiert, um das Zusammenleben zu vereinfachen, wie z.B. die „Fête des cultures“ (zu dt. Fest der Kulturen), wo jede ausländische Organisation die Möglichkeit bekommt, seine jeweiligen Spezialitäten anzubieten. So kann man die verschiedenen Kulturen besser kennenlernen. Einmal im Jahr wird auch der sogenannte Dritte-Welt-Markt organisiert.
In den Schulen kommen Kinder aus den verschiedenen ausländischen Gemeinschaften in Kontakt. So wird das Zusammenleben schon im frühen Alter gefördert und kulturelle Barrieren werden abgebaut.

3) Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe der Immigration in Ihrer Gemeinde? Haben sich die Gründe mit der Zeit geändert?
Die Immigration hat ihren Ursprung mit der Minette. Zu Beginn des 20. Jh., also zur Zeit des industriellen Aufschwungs und der Entstehung der A.R.B.E.D. spielte Düdelingen eine wichtige Rolle. Luxemburg brauchte Arbeitskraft und so kamen in einer ersten Instanz viele Italiener nach Luxemburg, es gab auch Konventionen zwischen Italien und Luxemburg. Mittlerweile gibt es mehr Portugiesen, die hauptsächlich im Bau arbeiten.
Durch den Balkankrieg hatte sich die Immigration verändert und es kamen vermehrt Jugoslawen nach Düdelingen.
Die Immigranten mussten am Anfang oft in schlechten Verhältnissen leben (z.B. in Baracken) da sie sich auch nicht im Land auskannten, und es auch vorkam, dass sie weder französisch noch luxemburgisch konnten.
Heutzutage unterstützen sich die ausländischen Gemeinschaften in der Gemeinde untereinander, z.B. Portugiesen die Italiener und umgekehrt.

4) Was halten Sie vom Vorurteil, dass Ausländer unsere Arbeitsplätze „stehlen“?
Hinter diesem Vorurteil steckt ja auch oft ein nationalistischer Gedanke und es ist ernstzunehmen. Jedesmal wenn ich darauf angesprochen werde, versuche ich dagegen zu sprechen. Ohne die Hilfe von Ausländer könnten wir uns nicht in der heutigen ökonomischen Situation befinden. Wir sind froh, dass Ausländer nach Luxemburg kommen.
Im Bankensektor gibt es z.B. viele Pendler aus den umliegenden Gebieten Luxemburg, da es auch nicht genug luxemburgische Arbeitskräfte gibt. Im privaten Sektor nehmen die Ausländer auch Überhand, da wir sie brauchen. Im Staat und in den Gemeinden dagegen findet man sehr viele Luxemburger wieder.
Man kann also sagen, dass wir schon immer auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen waren.

5) Glauben Sie, dass die Einwanderung von Mitbürgern aus den neuen EU-Ländern dem luxemburgischen Arbeitsmarkt Vorteile bietet?
Ich finde das schon. In den neuen EU-Länder gibt es viele Leute mit Potential. Wenn sie hier arbeiten kommen, können sie dieses Potential auch umsetzen, was ja gut ist. Sie kommen ja hier arbeiten weil sie besser verdienen wollen, aber auch weil wir sie brauchen.
In der Europäischen Union gibt es auch eine Direktive der „Libre circulation des travailleurs“ (zu dt. „Freier Umlauf der Arbeiter“), die ermöglicht dass man überall in Europa arbeiten kann. Ein Ausländer kann in Luxemburg sogar Rechtsanwalt werden, wenn er bestimmte Bedingungen erfüllen kann, so wie ein Luxemburger.
Dass viele Ausländer in Luxemburg arbeiten kommen, weil sie hier mehr verdienen, kann man ihnen ja auch nicht übelnehmen, denn wir profitieren ja auch von ihrer Arbeitskraft. Jeder zusätzlicher ausländischer Arbeiter bringt Vorteile für unser Land und kann uns helfen.

6) Werden die ausländischen Arbeitskräfte in Luxemburg mit den einheimischen Arbeitskräften gleichberechtigt?
Normalerweise ist es so, dass wenn z.B. ein Bulgare nach Luxemburg arbeiten kommt, auch das luxemburgische Arbeitsrecht zählt. Wenn jemand seine Arbeit gut macht, soll er dementsprechend auch bezahlt werden. Leider kommt es schon vor, das Ausländer weniger verdienen als Luxemburger, was eine Diskrimination ist, und ich plädiere ganz klar gegen sie. Es sollten ja keine Unterschiede geben. In einer rezenten Studie, die sich mit diesem Thema befasste, kam heraus, dass sich z.B. die Cap-Verdianer benachteiligt fühlen, wegen ihrer Hautfarbe und sie verdienen weniger als z.B. ein Luxemburger, der die gleiche Arbeit ausführt.

7) Wann und unter welchen Bedingungen erhalten Immigranten ihr Wahlrecht? Machen sie auch Gebrauch von ihrem Wahlrecht?
Im Moment können Immigranten und ausländische Mitbürger sowohl bei den Europawahlen, als auch bei den Gemeindewahlen mitmachen, jedoch nicht bei den Legislativwahlen.Die Bedingungen sind die gleichen wie für Luxemburger: man kann also erst mit 18 Jahren (luxemburgisches Zivilgesetz).
Ausländische Mitbürger gebrauchen zwar ihr Wahlrecht, doch sie könnten noch mehr Gebrauch davon machen. Es ist momentan auch so, dass man sich ein Jahr vor den Wahlen einschreiben muss, wäre diese Zeitspanne kürzer, z.B. zwei Monate, würden sich wohl auch deutlich mehr wählen gehen.
In 2005 gingen 1063 Ausländer in unserer Gemeinde wählen, diese Zahl hat sich im Verglich zu den Gemeindewahlen von 1999 verdoppelt. Das liegt auch daran, dass die ausländischen Kommissionen die Ausländer auf ihr Wahlrecht hingewiesen haben, und durch Information auch mehr wählen gingen. Die Kommissionen gingen selbst zu den Leuten in den Vierteln, so brauchen sie sich auch nicht zur Gemeinde zu begeben, um ihre Stimme abzugeben.

8) Nimmt die Kriminalität der Immigranten in Luxemburg tatsächlich zu?
Statistisch unterscheidet man zwischen drei Gruppen, die eine Straftat begangen haben: Luxemburger, Ausländer die hier in Luxemburg leben und Ausländer die nicht in Luxemburg wohnhaft sind. Dabei ist die Zahl der Straftaten bei den ersten beiden Gruppen praktisch gleich. Doch im Gefängnis sind mehr Ausländer als Luxemburger ansässig.

9) Was halten sie von der Aussage von Herrn Nicolas Schmit, dass „die Schule der Ort ist, an dem aus Immigration Integration wird“ (Tageblatt vom 19. Oktober 2006)?
Ja, diese Aussage stimmt. Kinder lernen schon in jungen Jahren zusammenzuleben. Neben der Vorschule, der Primärschule und dem Gymnasium gibt es in Düdelingen auch noch sogenannte „Classes d’intégration“ („Integrationsklassen“) und „Classe d’acceuil“ („Begrüßungsklassen“). In diesen Klassen sind Schüler, die zwar in Düdelingen wohnen, doch weder luxemburgisch noch französisch können. Der Lehrer versucht ihnen die luxemburgische Sprache beizubringen, damit sie sich später im Gymnasium besser integrieren können.
Es gibt dann auch noch ein Projekt namens „Team Teaching“. Drei Lehrer setzen sich zusammen und halten Unterricht in Klassen mit vielen Ausländern.
In der Schule kommen Ausländer mit der luxemburgischen Kultur in Kontakt, und lernen dadurch etwas, aber auch umgekehrt lernt der Luxemburger vieles von anderen Kulturen, er kann also auch von der ausländischen Präsenz Gebrauch machen, um etwas dazu zu lernen.

10) Was unternimmt die Gemeinde um die Immigranten so gut wie möglich zu integrieren?
Wie ich schon erwähnt habe, werden verschiedene Maßnahmen in der Schule durchgeführt. Außerdem werden für Erwachsene Sprachkurse angeboten.
Die Sprache ist ein Faktor der Immigration, aber nicht der einzige. Es werden auch verschiedene ausländische Veranstaltungen, wie etwa Feste, Konferenzen über ihre Länder usw. mit der Unterstützung der Gemeinde organisiert.

11) Düdelingen hatte in der Zeit besondere Viertel wie z.B. „Klein Italien“. Gibt es solche Viertel noch heute? Wie gestaltet sich dort das Zusammenleben?
„Klein Italien“ gibt es noch immer und ist eigentlich das einzige Viertel das einen solchen spezifischen Namen trägt, da eben viele Italiener dort gewohnt haben. Die Vorteile solcher Viertel sind, dass sie in der Nähe der „Schmelz“ ist und die Italiener alle beieinander leben. Heutzutage leben aber auch Luxemburger dort, und mittlerweile sind die Italiener in der Unterzahl.
Das Leben innerhalb des Viertels gestaltet sich sehr gut. Die Leute die dort wohnen investieren auch in ihr Viertel, damit es auch seinen Charme und sein gutes Aussehen behält. Viele Häuser wurden renoviert.
Am Anfang gab es eine Trennung zwischen Düdelingen und „Klein Italien“. Heute ist das aber nicht mehr der Fall. Das Viertel gehört jetzt einfach zu Düdelingen und gehört zu seiner Geschichte. In „Klein Italien“ wohnten schon immer Immigranten und viele Kulturen treffen aufeinander.
Es gibt eigentlich keine anderen solcher Viertel.

12) Wie steht es mit der luxemburgischen Sprache? Sprechen viele Ausländer in Ihrer Gemeinde diese Sprache? Enstehen Kommunikationsprobleme zwischen Luxemburger und Ausländer?
Ich kann nicht genau sagen, wie viele Ausländer die luxemburgische Sprache sprechen, aber ich merke dass es viele sind. Die Zahl ausländischer Mitbürger in Sprachkursen ist gestiegen. Man kann also davon ausgehen, dass immer mehr die luxemburgische Sprache sprechen. Es sind auch viele Portugiesen darunter.
Die Kommunikationsprobleme werden immer kleiner. Man muss es auch etwas relativisieren. Die meisten ausländischen Mitbürger machen sich große Mühe französisch zu lernen und zu sprechen. Die erste Sprache, die sie lernen, ist französisch, danach kommt luxemburgisch. Die Kommunikation ist also schon in Ordnung. Der Luxemburger akzeptiert die Ausländer auch viel mehr, da er sieht, dass sie sich die Mühe geben, luxemburgisch zu sprechen, und er ist dann auch eher bereit, französisch zu reden.


Kommentar zum Interview
Wir haben uns die Stadt Düdelingen ausgesucht, da sie dieses Jahr 100 Jahre der Immigration feiert. In Düdelingen ist auch das Museum für Migrationen. Ein weiterer Grund für unsere Wahl war das Umfeld, da noch stumme Zeugen von der Geschichte der Immigration erzählen.

Auch vielen Dank an Herrn Biancalana für seine Geduld und Zeit die er für dieses Interview zur Verfügung gestellt hat.

6 commentaires:

IoanaBarb a dit…

also ihr beschaftigt euch schon wieder mit den Imigranten... gut dass ihr noch welche neue Dinge finden konnt.
Wir haben uns total andere themen als im letzten jahr ausgewahlt!

Ioana

Pauly&Madalina a dit…

Hallo...wir finden sehr interessant was ihr fur ein Thema gewahlt habt und warten kaum das Projekt zu sehen.
Viele Grusse!!

Ruxandra a dit…

Interessantes Thema, gut dokumentiert. Einwanderung hattet ihr aber schon mal, oder?

Liebe Gruesse aus Rumaenien!

projet comenius du LGE a dit…

Vielen Dank für eure Kommentare!

Wir möchten jedoch klarstellen, dass dieses Interview schon länger geplant war (seitdem wir begonnen hatten, uns mit dem Thema "Immigration in Luxemburg" zu befassen),jedoch leider erst jetzt veröffentlicht wurde, aus verschiedenen Gründen. Es ist Teil der Arbeit "Immigration in Luxemburg". Wir beginnen ja nicht noch einmal über dasselbe Thema zu schreiben!
Falls ihr damit sagen wollt, dass tatsächlich eine Gruppe letztes Jahr sich mit demselben Thema befasste, dann sagt uns doch welche Gruppe das war und welches Thema genau sie behandelt haben! (wir haben es schon in einem anderen Kommentar erwähnt)Wir können uns nicht erinnern dass letzes Jahr eine Gruppe dasselbe Thema behandelte, und es war ja von uns auch nicht beabsichtigt das gleiche Thema wieder zu verwenden!

Arbeitsgruppe "Immigration in Luxemburg"

betty a dit…

hallo!ich fand euer Interview sehr interessant, tolles Thema!viele Gruesse aus Rumaenien!

Unknown a dit…

Hi!
Ich finde den Interwiev wirklich gut und das Thema ist auch sehr interessant.
Am besten hat mir die Frage Nr.9 und den dazugehorigen Antwort gefallen:P.

Prima gemacht!Viel Erfolg weiter!:)